N.N.
Operetta Research Center
27 June, 2015
In Halle you can see the first German production Frédéric Barbier’s operetta Die kleine Baronesse (La Baronne de Haut-Castel) on July 4 at the Institut für Musikpädagogik der Martin Luther-Universität – as part of the program “Lange Nacht der Wissenschaften.” Later this year, in October, this operetta will be presented again in combination with Barbier’s Ein Souper bei Mlle. Contat. The German version was made by Daniel Hirschel, the production is by Hugo Wieg. The official German press release reads as follows:
Es handelt sich um eine temporeiche, von unerwartenden Wendungen und Situationskomik überbordende Pygmalion-Geschichte für nur 3 Personen aus dem Paris der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts. 1876 im mit 1.200 Plätzen größten und bedeutendsten Pariser Café-Concert, dem Eldorado, uraufgeführt, stellt unsere Hallenser Produktion diesen Operetten-Einakter erstmals einem deutschen Publikum vor.
Das Stück eröffnet mit einer außgedehnten Menuett-Szene zwischen Edgar und seiner künftigen Braut Virginie, die, eigentlich Fischerin, auf die höheren adligen Kreise seines Onkels eingeschworen werden soll. Neben
Anders als erwartet läßt sie sich nicht verbiegen und führt den unerwartet auftauchenden Onkel erfindungsreich hinters Licht. Da hat das nicht-existente Kind, für das der Onkel aber kräftig zahlt die Pocken und da gibt es Löwen auf Helgoland. Ganz im Gegenteil verköpert sie einen Typus, der starken, sich durchsetzenden, aber nicht intellektuellen Frau.
In einem neuen bürgerlich-liberalen Umfeld wie es seit Mitte der 1870er Jahre vorherrscht, ist der Adelstitel des Onkels wenig wert und so kann dieser nur mit einer spektakulären Entdeckung in die Weltgeschichte eingehen, die er an der Académie Nationale präsentieren muß: er hat einen Knochen von Vercingetorix’ Pferd gefunden, da die berühmte Schlacht von Alésia vorgeblich in seinem Vorgarten statt gefunden habe. Dieser Akt bildet geradezu ein Miniaturabbild der Grande Nation anno 1877. Was politisch intendiert ist und gesellschaftlich als erstrebenswert gilt wird hier im eng begrenzten Raum einer Familie vorgeführt. In seinem Streben nach Weltgeltung, Ruhm und Anerkennung wird der stets um die ebenbürtige Heirat seines Neffen bemühte Baron Haut-Castel letzten Endes vorgeführt, als er die ordinäre Fischerin tatsächlich für eine Baronin hält. Wie in entsprechenden Stücken von Eugène Labiche werden hier die Grundfeste bürgerlicher Werte torpediert und demontiert um schließlich versöhnlich zu enden.
Die Operetten der Cafés-concerts sind ebenso wie ihre großen Schwestern das Kondensat gesellschaftspolitischer Entwicklungen einer inzwischen bürgerlich-liberalen Wertegesellschaft unter Napoléon II. Was das Streben nach Weltgeltung und Anerkennung betrifft, steht der Onkel Baron de Pingouin im Stück den realen politischen Ambitionen der Grande Nation in nichts nach und macht sich mit der Präsentation eines angeblichen historischen Sensationsfundes an der Académie Nationale lächerlich. Im Wissenstest über Helgoland wird er zudem und ausgerechnet von einer einfachen Fischerin als ahnlungsloser Dummkopf entlarvt, dessen Weltgewandtheit und Bildung nur Fassade ist. (Seitenhiebe, teilweise rassistischer Natur, auf Deutschland und Belgien, sind in den 1870er Jahren gerade in der Operette keine Seltenheit.) Ebenso hat ihn das junge Paar mit deren vorgeblichem, aber in Wahrheit nicht existenten, Kind hereingelegt, daß die Pocken haben muß, um zu verhindern, daß der Onkel Baron es sehen will. Mit einem Federstrich sind alle Werte über Bord geworfen als sich Virginie in ihrem Rondo No.3 schließlich als Fischerin präsentiert und alles auflöst. Da das Publikum der Café-concerts sich zum Großteil auch aus Kleinbürgern bestand, ist diesen Stücken die Ablehnung des elitären Adelsstandes immer Anlaß zu heftigen Seitenhieben.
Da das Stück im Original nur 4 Musiknummern aufweist wurden für die deutsche Fassung für den Baron de Pingouin noch ein Couplet über die Schlacht von Alésia (No.2 aus Barbiers Faust et Marguérite) sowie für Virginie und Edgar das Duett vom Kinder kriegen (ursprünglich aus Les 100.000 Francs du Ténor von Frédéric Barbier) jeweils vollständig neu textiert, eingelegt.
Frédéric Barbier, *15.Nov.1829 in Metz, + 12.Febr.1889 in Paris – mit Offenbach und Hervé einer der Väter der Operette – u.a. musikalischer Direktor der Weltausstellung 1867, ab 1873 zusammen mit Henri Litolff musikalischer Leiter des Café-Concert Eldorado – zuvor rege Kompositionstätigkeit vor allem für Offenbachs Théâtre des Bouffes-Parisiens – unter seinen mehr als 85 Bühnenwerken befinden sich ganze 3 abendfüllende Operetten, der Rest sind fast ausnahmslos Einakter, vornehmlich für 2-4 Personen. Überdies schrieb er über 400 in Frankreich bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts zum Teil äußerst populärer Chansons.
Aufführung am 3.Juli 2015 19h00 im Großen Saal des Instituts für Musikpädagogik der Martin Luther-Universität in Halle/Saale, Kleine Marktstraße 7 - im Rahmen der Langen Nacht der Wissenschaften
Frédéric Barbier: “Die Kleine Baronesse” (La Baronne de Haut-Castel)
Libretto: Laurencin, deutsche Fassung, Übersetzung, Produktionsdramaturgie: Daniel Hirschel
Baron de Pingouin – Peter Fabig
Edgard, sein Neffe – Michael Mühmelt
Virginie Hecht, Fischerin, seine Frau – Anna Lichtenstein
Orchestrierungen, Einstudierung, Musikalische Leitung, Klavier: Michael Stolle
Inszenierung und Bühnenbild: Hugo Wieg
Die ausführenden Sänger sind Studenten im Fach Gesangspädagogik an der Martin Luther-Universität Halle-Wittenberg