Ralph Braun
Neue Presse Coburg
25 September, 2015
There has been a lot of controversy surrounding Johann Strauss’s final work for the stage, the ballet Aschenbrödel. Most of all, because the stolen pages of the original manuscript promted the police to investigate how they got out of the Wiener Stadt- und Landesbibliothek and into a German auction house in Cologne. Now, a new recording of the supposedly “original” score is due on CPO, conducted by Ernst Theis. And the opera house in Coburg, Germany, also plans a staging of Aschenbrödel, potentially based on a critical edition of the Neue Johann Strauss Ausgabe, Vienna, put together by Prof. Michael Rot. When the mayor of Coburg spoke of his town as a place with a special connection with Strauss – it is the seat of the German Johann Strauss Gesellschaft, after all – he also spoke of Aschenbrödel and the Rot edition. It seems he got a few facts wrong, just like Prof. Rot. The former head of the JSG, Ralph Braun, replied to the mayor’s speach in an open letter published by the Neue Presse Coburg.
Beim Festakt der Deutschen Johann-Strauss-Gesellschaft erklärte Oberbürgermeister Norbert Tessmer laut NP-Bericht, Coburg sei „als kulturelles Oberzentrum der Ort, wo sich das Erbe des Walzerkönigs am besten pflegen lasse“. Was OB Tessmer unter Coburger Pflege des „Erbes des Walzerkönigs“ offenbar versteht und wie er solche „Pflege“ als Kulturreferent wohl auch zu tolerieren bereit ist, wurde mir durch seine Worte zum ab April 2016 im Landestheater aufgeführten von Strauss hinterlassenen Ballett-Torso „Aschenbrödel“ deutlich. Dies ist bedauer- und bedenklich. Der OB wird es als Nicht-Fachmann nicht besser wissen, wenn er erklärt: „Bei dieser Ballettmusik handelt es sich um eine Originalkomposition von Johann Strauss. … Laut fachkundlichen Hinweisen könnten einige Teile dieser Originalpartitur, die auch hier in der Landesbibliothek liegt, in dieser Produktion zur Uraufführung kommen.“ Wird bei einer Aufführung der „Schicksalssymphonie“ betont, dass es sich um eine „Originalkomposition“ von Ludwig van Beethoven handelt? Warum bei „Aschenbrödel“?
Der vom OB auch angestrengte Begriff „Originalpartitur“ bedeutet im musikwissenschaftlichen Sprachgebrauch: handschriftliche Partitur des Komponisten. Es gibt keine „Originalpartitur“ von „Aschenbrödel“, sondern nur zahlreiche autografe Skizzen. Bislang ist nur eine einzige gedruckte Partiturausgabe von „Aschenbrödel“ erschienen (2002). Ein Exemplar befindet sich in der Landesbibliothek. Bei dieser „wissenschaftskritischen“ Ausgabe handelt es sich allerdings um einen vom Alleinherausgeber der „Strauss Edition Wien“, Prof. Michael Rot, – wenn er diese im Vorwort indirekt als „Originalkomposition“ von Johann Strauss darstellt – unbewusst erarbeiteten „Fake“ einer von Strauss nur begonnenen Ballettkomposition. Denn nur etwa 12 Prozent (476 Takte/16 Minuten) dieser 4108 Takte umfassenden von Prof. Rot „rekonstruierten“ angeblichen „Urfassung Aschenbrödel“ hatte Strauss nachweislich, wie die aus der Wiener Rathausbibliothek vor 1994 gestohlenen und mir 2008 für die DJSG angebotenen Autografe beweisen, überhaupt definitiv für eine bestimmte Stelle des von ihm bis zu seinem Tod noch nicht einmal im musikalischen Aufbau konzipierten Balletts komponiert. Die restlichen 3632 Takte der vom OB als „Originalpartitur“ bezeichneten Ausgabe Prof. Rots (88 Prozent) sind 1899 erfolgte Konstruktion des Vollenders, Wiener Hofopernballettkapellmeister Josef Bayer (1852–1913). Die auf der Website des Schott-Musikverlags unzutreffend als „Autografe Fassung (Urfassung), fertiggestellt von Josef Bayer 1899“ bezeichnete Ausgabe Prof. Rots basiert laut seines Revisionsberichts (S. 509 „Quellenlage“) auf der angeblich einzigen [!] auch nur in Ablichtung erhaltenen autografen „Aschenbrödel“-Partiturskizze mit ganzen vier Takten!
Im „Resumee“ seines Partiturvorwortes behauptet Prof. Rot folglich unrichtig: „Mit der vorliegenden Rekonstruktion der Urfassung ,Aschenbrödel’ ergibt sich die letzte Möglichkeit, ein bedeutendes Bühnenwerk von Johann Strauss zur Uraufführung zu bringen.“
Die bei mir 2008 wieder aufgetauchten gestohlenen autografen „Aschenbrödel“-Skizzen ermöglichen in Coburg 2016 hingegen wirklich eine Uraufführung dessen, was Strauss tatsächlich für „Aschenbrödel“ komponiert hat. Dies wäre dann eine ernst zu nehmende Coburger Johann-Strauss-Pflege und keine wie auch immer „originelle“ Täuschung.
Ralph Braun, Coburg (1.Vorsitzender der Deutschen Johann-Strauss-Gesellschaft von 2006–2011)