Sebastian Sternberg
Orpheus Opernmagazin
13 May, 2009
Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Ich kannte von der Operette Der König mit dem Regenschirm mal gerade den Titel und war mir auf Anhieb nicht einmal sicher, wer sie komponiert hat. Ralph Benatzky war mehr Ahnung denn Gewissheit. Nun weiß ich mehr, viel mehr sogar. Und was noch wichtiger ist, ich habe ein hinreißendes Stück entdeckt, das ich hiermit auf das Wärmste empfehle.
Wer immer sich für Operette interessiert, wird die Ausgabe für diese Neuerscheinung nicht bereuen – erschienen bei Walhall (WLCD 0264) in einer Aufnahme mit dem Unterhaltungsorchester des Rias Berlin unter Alfred Strasser, aufgenommen am 15. Juli 1948. Das ist um so bemerkenswerter, weil ein politisch-erotisches Intrigenspiel während der Regierungszeit des französischen Bürgerkönigs Louis-Philippe (1830-1848) nicht so recht ins Raster der zur Prüderie und Schlichtheit neigenden Nachkriegszeit zu passen scheint. Andererseits hatte Berlin gut zu machen an Benatzky, der das Werk 1935 im Schweizer Exil schrieb, wo er mit seiner jüdischen Frau lebte. Die legendären goldenen zwanziger Jahre an der Spree wären ohne ihn weniger golden gewesen.
Beim ersten flüchtigen Hören empfand ich das Stück zwar recht hübsch, letztlich aber belanglos und thematisch weit weg. Die Dialoge schienen mir zu betulich, zu ausgewalzt. Genauer hingehört, blitzt plötzlich manch freche politische Bemerkung auf, die irgendwie an Wolfgang Neuss erinnert, an anderer Stelle wird der Militarismus auf die Schippe genommen. Überhaupt ist viel Kabarettistisches im Spiel, von dem die Musik regelrecht angesteckt wird.
Die männliche Hauptrolle, Graf d’Avancourt, der zum Ministerpräsidenten berufen wird, hat – man höre und staune – Erik Ode übernommen, Sohn des Ufa-Schauspielers Fritz Odemar. Genau der Ode, der zwanzig Jahre später als Kommissar in der gleichnamigen ZDF-Krimiserie seine Ermittlungen aufnahm und das 97 Folgen lang, zu seiner Zeit ein Straßenfeger. Ode war schließlich auf den Kommissar festgelegt. Dass er auch singen kann – und das nicht schlecht – offenbart gewiss nicht nur mir diese Benatzky-Operette. Ode, seit 1948 Oberspielleiter beim Rias, ist ein Charmeur der alten Schule, wie es ihn heute nicht mehr gibt. Er bringt Leichtigkeit und Sinnlichkeit ins Spiel, beherrscht aber auch den geschickten Griff in die Mottenkiste der Klischees.
In der Schauspielerin Winnie Markus als seine Frau Suzanna hat er eine ideale Partnerin, weil sie auch stimmlich gleichauf liegen.
Eine Frage stellte sich mir ganz automatisch, obwohl ich sie nicht sehr originell finde: Ist das Stück noch spielbar? Wenigstens einen Versuch hat es 2003 bei der “Lübecker Sommeroperette”, einem privaten Theaterunternehmen, gegeben. Müssen es denn immer gleich Aufführungen sein?
Tonträger sind auch eine Existenzform, wie das Walhall-Angebot einmal mehr veranschaulicht. Sie garantieren mitunter ein längeres Leben, als es eine flüchtige Inszenierung kann. Bei Schallplatten und CDs geht das Verfallsdatum gegen null.
Anmerkung: Beim Online-Shop jpc.de kann man Tracks dieser Aufnahme hören. Einfach hier klicken.