“Gasparone”: Wenn nur die Plattenfirma großes Lob verdient

Hans-Dieter Roser
Operetta Research Center
7 October, 2014

Das CD-Label cpo und sein Executive Producer Burkhard Schmilgun haben eine neue Aufnahme von Carl Millöckers zweiter Erfolgsoperette Gasparone vorgelegt und damit endlich eine Aufnahme der Originalfassung auf den Markt gebracht, die bis auf eine fehlende Nummer (Nr. 3 des Klavierauszuges – ein Marsch-Terzett von Carlotta, Zenobia und Nasoni mit dem erfolgsträchtigen Refrain „So sind die jungen Leute von heute“) wirklich die gesamte Musik des Werkes bringt bei geringfügigen Strichen in den Finali, die nur Wiederholungen betreffen.

The new "Gasparone" double-CD from Ischl.

The new “Gasparone” double-CD from Ischl.

Dass dieses Terzett mit Ohrwurm-Qualität fehlt, geht offensichtlich zu Lasten der Inszenierung. Denn die Aufnahme entstand als Mitschnitt einer Produktion des Lehár-Festivals Bad Ischl 2013. Und damit wäre man beim ersten Wermutstropfen, der die prinzipielle Freude über die Verfügbarkeit der Originalfassung trübt.

Der Operetten-Guru der 1990er Jahre, Volker Klotz, hat den Gasparone eine mustergültige Operette genannt. Die Librettisten Zell und Genée haben ein amüsantes Buch geschrieben, das das Publikum zum wissenden Zuseher der verzwickten Aufklärung eines kriminellen Vorgangs macht. Das Original-Libretto spiegelt das Allgemeinwissen über Italien Ende des 19. Jahrhunderts, das unkorrekte geschäftliche sizilianische Umtriebe noch verharmlosend mit dem Begriff „Schmuggel“ beschreibt und dadurch die Begriffe Mafia und Ndrangeta vermeidet.

Die Ischler Produktion verlegte leider die Handlung ohne ersichtlichen Grund aus dem 19. in das 20. Jahrhundert, ohne dadurch der Operette eine zusätzliche Pointierung zu gewinnen.

Sicherlich kann man das Libretto von Zell und Genée nicht isoliert als Kunstprodukt bewerten. Aber die Dialoge der beiden sind allemal besser als die der anonymen Bearbeitung von Ischl 2013. Dass sie auch noch entsetzlich unbeteiligt gesprochen werden, verstärkt den unengagierten Eindruck und macht bei der selbst im Booklet nicht genannten Regisseuse, der bekannten Wiener Schauspielerin und Kabarettistin Dolores Schmidinger – bisher nicht gerade bedeutend im Regiefach hervorgetreten – erstaunen. Sie müsste es eigentlich besser wissen.

Cover of the original "Gasparone" piano score.

Cover of the original “Gasparone” piano score.

Der zweite Wermutstropfen ist der Stil der Aufnahme. Das Franz-Lehár-Orchester unter Marius Burkhart spielt nicht schlecht, hat elektrisierende Passagen, aber versinkt dann wieder in ein unbeteiligtes Begleiten von Solisten, die ob ihrer mangelnden sängerischen Qualität kein Orchester der Welt animieren würden. Dabei sind darunter wirklich Künstler, die mit dem Genre der Operette umgehen könnten. Aber sie alle leiden unter einem unerbittlichen Sing-Zwang, als ob Operette wie große Oper gesungen werden müsste. Dabei war die Operette Ende des 19. Jahrhunderts nicht von Sängern, sondern von Singschauspielern dominiert. In der Ischler Aufnahme bemühen sich alle mit mehr oder weniger Glück um die Produktion von halbwegs richtigen Tönen, wodurch die Handlung auf der Strecke bleibt. Keine Spur auch mehr von Rollencharakteristik! Seltsam, dass da der Dirigent, erfahren mit und begabt für Operetten, nicht eingegriffen hat.

Denn dieser Sing-Zwang verschiebt den Charakter der Musik, zieht die Partitur ins Sentimentale, Melancholische – näher hin zu Strauß Sohn. Aber das war nicht Millöckers Stil. Im Nachruf der Neuen Freien Presse am 1. Januar 1900 wurde Millöcker als „virtuoser Theatertechniker“ bezeichnet, das heißt: als musikdramatischer Könner, dessen Musik Handlung pointiert interpretiert und kommentiert, kurz Motor des dramatischen Geschehens ist.

Das lässt die Aufnahme völlig vermissen, wodurch sich auch eine gewisse Biederkeit breit macht.

Die kritischen Anmerkungen sollen aber nicht das CD-editorische Verdienst schmälern. Vielleicht vermag der Produzent bei hoffentlich weiter erfolgenden Einspielungen von Originalfassungen seinen Einfluss bestimmender auf eine stiladäquate Besetzung geltend zu machen, die selbst unterm Zwang der für Ischl bestimmenden knappen finanziellen Mittel gefunden werden kann.

The cpo team: Burkhard Schmilgun (top left), Michael Rickert, Gerhard Georg Ortmann, Lothar Bruweleit, Caroline Ranke (Photo: cpo)

The cpo team: Burkhard Schmilgun (top left), Michael Rickert, Gerhard Georg Ortmann, Lothar Bruweleit, Caroline Ranke (Photo: cpo)

There is one comment

  1. geerd heinsen

    ach das spricht mir aber aus dem herzen, warum sind die aufnahmen von operetten heute, namentlich bei dieser firma, so lustlos???? nix massary oder jurinac oder ndr der 50er, kein esprit und wenig spass. da reicht auch das wort “verdienstvoll” nicht aus.

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