Reviving “Axel an der Himmelstür” For Russia

Kevin Clarke
Operetta Research Center
2 July, 2014

You can call it amazing, it’s certainly reason enough for all operetta fans to listen up: In St. Petersburg a brand new version of Ralph Benatzky’s Hollywood satire Axel an der Himmeltür (1935) will be staged by Cornelius Baltus. He’s a Dutch stage director, working for Stage Entertainment. His list of credits includes Dance of the Vampires in Budapest, Vienna, Antwerp, Warsaw and St. Petersburg, as well as Chess in Budapest. We caught up with Mr. Baltus on route to St. Petersburg and asked him about his update of the famous operetta that made Zarah Leander a star, back in 1935, and gave Max Hansen an opportunity to yodel himself into operetta heaven. The interview is in German, our apologies. We hope you’ll enjoy it anyway.

Dutch stage director Cornelius Baltus.

Dutch stage director Cornelius Baltus.

Sie werden im September 2014 in St. Petersburg eine Neufassung von Ralph Benatzkys Hollywood-Satire Axel an der Himmelstür vorstellen, jenes Stück, mit dem Zarah Leander 1935 zum internationalen Star wurde und Max Hansen einen seiner größten Triumphe als jodelnder Operettendarsteller feierte. Wie kamen Sie ausgerechnet auf dieses heute weitgehend vergessene Werk?

Nach dem großen Erfolg meiner Inszenierung von Tanz der Vampire bat der St. Petersburger Intendant Yuri Schwartzkopf mich, als nächstes eine Operette zu inszenieren. Ich hatte freie Wahl. Wichtig war für ihn nur, dass das Stück eine ‘internationale’ Story Line hat. Nachdem ich ziemlich viele Libretti durchwühlt hatte, stieß ich auf Axel an der Himmelstür und seine Hollywood-Geschichte!

Zarah Leander in her dressing room, Vienna 1935.

Zarah Leander in her dressing room, Vienna 1935.

Eine Operette, die in Hollywood spielt und sich um einen exzentrischen Star dreht, ums Paparazzi Wesen und einen Blick hinter die Kulissen der Traumfabrik: Denkt man da nicht eher an klassische Back-Stage-Musicals mit Fred Astaire? Was ist das „Operettige“ an dem Stück, und wie gehen Sie damit um?

Als ich später in Ruhe das Libretto durcharbeitete, stellte ich fest, dass man Axel in der Ur-Fassung nicht mehr aufführen kann, meiner Meinung nach. 2014 ist der musikalische Geschmack des Publikums einfach zu anders. Ich habe nur die Nostalgie der 1930er Jahren in meiner Version bewahren wollen. Vermutlich ist diese „Nostalgie“ das Einzige, was vom Original übrig geblieben ist und was man als „operettig“ bezeichnen könnte.

Russian actress Olga Drozdova rehearsing "Hollywood Diva". (Photo: Vladimir Postnov/C. Baltus)

Russian actress Olga Drozdova rehearsing “Hollywood Diva”. (Photo: Vladimir Postnov/C. Baltus)

Die heute bekanntesten Nummern sind die Leander-Schlager „Gebundene Hände“ und „Ich bin ein Star“. Viele Drag Queens haben sie im Laufe der Jahrzehnte gesungen. Ist Axel ein Stück, das besonders für einen „camp“ Interpretationsansatz geeignet ist? Wie arbeiten Sie mit dieser Seite des Werks in Ihrer Inszenierung? Dürfte man in Russland, angesichts der aktuellen homophoben Gesetzeslage, überhaupt an solch eine Drag-Interpretation denken?

Glücklicherweise ist die politische Homophobie im Land nicht im Theater spürbar. In Tanz der Vampire gibt es einen Charakter namens Herbert: der schwule Sohn des Grafen, der als Junior-Vampir hinter dem süßen Vampir-Jäger Alfred her ist.

Poster for the "Dance of the Vampires" production in St. Petersburg, with a "18+" warning.

Poster for the “Dance of the Vampires” production in St. Petersburg, with a “18+” warning.

Dieser Herbert hat mit seinen aberwitzigen Verführungsversuchen in allen Aufführungen des Stücks immer den meisten Erfolg beim Publikum, auch in Russland! Also sehe und spüre ich da keine Begrenzung, was LGBT-Aspekte angeht.

Wenn ich Axel in Deutschland inszeniert hätte, wäre jemand wie Mary sicher eine Option für die Hauptrolle. Durch das tiefe Timbre der Zarah Leander kann ich mir gut vorstellen, dass Drag Queens sich besonders berufen fühlen, ihren Part zu interpretieren. Für Russland habe ich mich allerdings für eine bekannte Schauspielerin als Filmdiva Gloria Mills entschieden, eine Frau mit einer schönen, runden, tiefen Sprechstimme. Die russische Sprache klingt ja sowieso sehr männlich, also braucht man gar keinen Mann für die Rolle, um den Leander-Effekt zu erzeugen!

The creative team of "Axel" in 1935.

The “Axel” team in 1935: Max Hansen and Zarah Leander at the center, with Ralph Benatzky (left back), plus some glitzky real life Hollywood guests!

Axel ist ein grandioses Zeitdokument, das viele Aspekte aufgreift, die 1935 aktuell waren, u.a. das Thema Wiener Emigranten in Hollywood, aber natürlich auch die Frage, wie sich Europäer Hollywoodstars vorstellen. Ist das heute noch aktuell? Kann man das Emigrations/Nazi-Thema heute noch behandeln und interessant machen für moderne Zuschauer in Russland?

Es stimmt, es gibt viele unterschwellige politische Themen im Stück. Die interessieren mich auch mehr, als die komödiantische Seite! In meiner Inszenierung versuche ich, leicht sarkastisch und zynisch mit solchen Themen umzugehen. Die Gerichtsszene im letzten Akt eignet sich gut dafür!

Man denkt, es gehe da vordergründig um Amerika: Aber ist Justiz nicht überall die gleiche Farce? Das Emigrationsthema kommt bei uns auch vor.

Die schwarze Hausdame Dinah wird bei uns ein ganz neuer Charakter, nämlich Lady Anastasia Bolochkova. Sie ist eine russische Immigrantin in Hollywood.

Poster for "Hollywood Diva" in St. Petersburg.

Poster for “Hollywood Diva” in St. Petersburg.

Kann man Axel mit typischen modernen Operettensängern besetzen, oder braucht man dafür eine andere Art Darsteller? Was für Darsteller haben Sie in St. Petersburg?

Die Darsteller sind sehr unterschiedlich. Unsere Diva ist eine Schauspielerin; die alternierende Darstellerin ist dagegen eine Musical-Sängerin. Unser Axel ist ein jugendlicher Operettentenor. Alle anderen Rollen sind mit Schauspielern und mit Musical-Darstellern besetzt. Mir ging es darum, die richtigen „Typen“ zu finden.

Ihre Produktion wird Hollywood Diva heißen. Warum haben Sie einen neuen Titel gewählt?

Hier geht es um Marketing! Ein Publikum braucht heutzutage klare Aussagen! „Axel an der Himmelstür“ klingt nicht wie aus unserer Zeit. Wir haben lange nach einem passenden, packenden neuen Titel gesucht! Ich versuche mit meiner Inszenierung, den Axel zu entstauben und zu neuem Glanz zu verhelfen – der Glanz der 30er Jahre und der Traumfabrik Hollywood!

Wie unterscheidet sich Ihre Version vom Original?

Composer Adrian Werum is in charge of re-writing and re-orchestrating "Axel" in St. Petersburg.

Composer Adrian Werum.

In fast allem! Im Original gab es vier Bilder und zwei Pausen! Wir haben jetzt zwei Mal 70 Minuten und 11 Bilder. Viele eher oberflächliche Rollen haben bei uns eine Vertiefung erlebt. Ich habe einen zusätzlichen Komponisten ins Projekt mit einbezogen, Adrian Werum. Mit ihm habe ich vieles neu gestaltet: die Figuren Herlinger, Dinah und Scott haben alle eigene Lieder bekommen. Tino Taciano wird zum Leben erweckt, die Bolochkova – eine reiche russische Immigrantin in Hollywood – ist komplett neu gestaltet, Gloria wird im ersten Akt viel dramatischer dargestellt als im Original. Wir haben 30 Tänzer, um Busby-Berkeley-artige Nummern choreographieren zu können. Und wir haben ein Orchester von 36 Musikern, um dem Stück einen opulenten „filmischen“ Sound zu geben. Leider haben wir vom Verlag Doblinger in Wien keine Orchesterstimmen bekommen. Die sind scheinbar verschollen. Also hatten wir die Chance, ganz von Vorne zu beginnen. Das ist eine riesige Herausforderung, aber auch eine riesige Chance!

Cornelius Baltus at a rehearsal in St. Petersburg. (Photo: Vladimir Postnov/C. Baltus)

Cornelius Baltus at a rehearsal in St. Petersburg. (Photo: Vladimir Postnov/C. Baltus)

Das Stück unterliegt noch dem Copyright. Waren die diversen Erben begeistert davon, dass Sie das Werk neu bearbeiten oder war da Überzeugungsarbeit nötig?

Ich hatte mit den Erben keinen persönlichen Kontakt. Ich kann mir aber vorstellen, dass sie glücklich sind über die „Auferstehung“ dieses herrlichen Stücks!

Sie arbeiten bei Stage Entertainment. Wird der modernisierte Axel auch in Deutschland oder Holland oder Österreich gezeigt werden, oder bleibt er ein russisches Lokalereignis?

Vorerst bleibt er ein Lokalereignis. Wir müssen ja erst einmal etwas kreieren! Bis jetzt ist noch nichts da! Nach der Premiere sehen wir weiter. Trotzdem stelle ist fest, dass das Vorab-Interesse an der Produktion überraschend groß ist!

Press conference in St. Petersburg where the creative team presented their version of "Axel an dem Himmelstür". (Photo: Vladimir Postnov/C. Baltus)

Press conference in St. Petersburg where the creative team presented their version of “Axel an dem Himmelstür”. (Photo: Vladimir Postnov/C. Baltus)

Wie gehen die russischen Kollegen mit „Operette“ um, und ist das anders als Holländer, Deutsche oder Österreicher es tun?

Russen lieben es, ins Theater zu gehen! Operette ist dort noch im Standard-Repertoire fest verankert! Bei uns in Westeuropa ist das Wort „Operette“ sehr altmodisch besetzt und das Interesse am Genre nicht mal ansatzweise so groß wie in Osteuropa!

Zarah Leander with Max Hansen (l.) and composer Ralph Benatzky, backstage in 1935, during an "Axel" performance in Vienna.

Zarah Leander with Max Hansen (l.) and composer Ralph Benatzky, backstage in 1935, during an “Axel” performance in Vienna.

Sie haben Tanz der Vampire und Chess inszeniert, Klassiker des modernen Musicals. Wie würden Sie im Vergleich Axel beurteilen – was ist an dieser Art von Stück anders? Was mögen Sie selbst am Axel?

Ich glaube, dass ich mit Hollywood Diva genau den Stil von Tanz der Vampire und Chess weiterführe. Im Untertitel nenne ich das Stück „Ein klassisches Musical“. Auch hier habe ich schon viele verschiedene Ideen gehabt: „Ein neue Operette“, „Ein burleske Revue“ …. Aber letztendlich ist „Ein klassisches Musical“ genau das, was ich selbst vom Stück erwarte. Operette war ja der Vorläufer des modernen Musicals, wie es sich in den 1930er Jahren in den USA zu etwas Eigenem weiterentwickelte. Also passt das ganz gut zusammen im Fall von Hollywood Diva.

A complete recording of "Axel" with Zarah Leander, made for ORF in the 1950s.

A complete recording of “Axel” with Zarah Leander, made for ORF in the 1950s, issued by Walhall in their “Eternity Series”.

Grundsätzlich liebe ich es, dass Axel ein Operettenlibretto voller Zynismus und Sarkasmus ist! Und dass die Partitur so viele herrliche Melodien enthält! Außerdem gibt es kein typisches Soubretten-Geträller, sondern eine angenehme Art von (modernem) Sprechgesang. Das ist von Benatzky schon sehr richtungsweisend angelegt worden. Damit kann man als Regisseur gut arbeiten! Für mich ist Axel/Hollywood Diva ein Schauspiel mit Musik, das geschickt zwischen Operette und Musical pendelt.

Aber kommen Sie selbst im September in St. Petersburg vorbei und fällen Sie Ihr eigenes Urteil.

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There are 2 comments

  1. Jaspar

    Das ist ein verrücktes Stück. Nachdem ich mir die Gesamtaufnahme angehört habe, habe ich es “Stockholm Syndrom – die Operette” getauft. Ich wäre gespannt, was sie aus der Handlung gemacht haben, denn das kann man in der Tat so eigentlich nicht mehr spielen. Die Partitur ist aber ganz nett, könnte allerdings auch etwas frische Orchestrationen vertragen.

  2. Bernd

    I have been a fan of the Zarah recording for a long time. She sounds wild and charismatic on those Walhall discs. Much more effective than on her historic 1935 tracks, which are also included. I wonder what happened to these orchestrations used by the ORF in the Fifties? How can they all be lost in the Doblinger archive? Did anyone really look?

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