Kevin Clarke
Operetta Research Center
5 February, 2015
The German actor Florian Klein became famous in Hollywood as porn star “Hans Berlin.” After years in the Adult Industry he now plans to write a show entitled Porn – The Musical, describing his back-stage experiences in the business. On February 22, Mr. Klein will give a frist public reading of the skript at the Schwules Museum* in Berlin. We talked to him – in German – about the show and the possiblity of turning it into an opera or operetta instead of a musical.
Du arbeitest derzeit am ersten Musical über die schwule Pornoindustrie. Passender Titel: Porn – The Musical. Wer hatte die Idee dazu?
Die Idee ist von mir. (lacht) Das Stück basiert auf meinen eigenen Erfahrungen als „Hans Berlin“ in der Pornowelt seit 2012. Aber meine Hauptfigur, Taylor Trent, ist im Gegensatz zu mir bzw. Hans noch ein junger Mann, weil es eine Coming of Age Story sein soll. Es geht darum, wie der junge Taylor seinen Platz in der Community findet. Porno ist dabei eine Metapher für die übersexualisierte Welt, in der wir aufwachsen im Zeitalter von Grindr, Scruff, Gayromeo usw.
Warum willst du diese Coming-of-Age-Geschichte als Musical erzählen, nicht als Oper, tragische Operette oder bürgerliches Trauerspiel?
Weil ich schwul bin und Musicals liebe. (lacht) Beim Recherchieren habe ich entdeckt, dass es ein Theaterstück mit dem Titel Making Porn gibt, wo es um die schwule Pornoindustrie in den 80er Jahren geht. Am Broadway gab es das Theaterstück The Performers, das von der Hetero-Pornowelt handelt. Leider lief das nur kurz, trotz Cheyenne Jackson in einer der Hauptrollen. Ein Musical gab es bislang noch nicht, jedenfalls nicht zur schwulen Seite des Business. Außerdem hat man im Musical die Möglichkeit, Gefühle besser auszudrücken als im Sprechtheater.
Eine Oper – so wie beispielsweise Jerry Springer: The Opera von Richard Thomas – wäre vermutlich zu abstrakt, zu wenig direkt in der emotionalen Verbindung zum Publikum. Allerdings bin ich offen für Vorschläge. Wenn Richard Thomas eine Oper aus meinem Libretto machen will und gute Ideen für die Umsetzung hat, wäre ich zu Gesprächen bereit. (lacht) Und eine Porno-Operette inszeniert von Barrie Kosky an der Komische Oper wäre selbstverständlich auch reizvoll, solange Otto Pichler die Choreographie übernimmt und seine Tänzer mitbringt.
Du bist 1972 in Deutschland geboren, lebst aber in den USA?
Genau, ich komme aus Garmisch-Partenkirchen. Vor zwölf Jahren bin ich nach Amerika gegangen, um in New York Schauspiel zu studieren. In der Zeit habe ich mich in die USA verliebt und wollte dort bleiben. 2006 bin ich weiter gezogen nach Los Angeles, um mein Glück in Hollywood zu probieren. Da wurde ich allerdings nach und nach depressiv, wegen der ständigen Anlehnungen bei Vorsprechen und Test-Aufnahmen. Die Folge: Ich war auf Anti-Depressiva, hatte einen Therapeuten und einen Psychiater. In dieser Situation kam dann das Angebot aus der „Erwachsenen Filmwelt“. Ich dachte: ‚Warum nicht?‘
Seit ich mit Pornos angefangen habe, geht es mir durch den Kopf, etwas über die vielen interessanten Menschen zu schreiben, die man dort trifft. Das schreit geradezu nach einer dramatischen Verarbeitung, wie das auf seine Weise auch Wash Westmoreland mit dem Film The Fluffer gemacht hat. Ich habe mich für die Form des Musicals entschieden.
Mochtest du Musicals schon vor deiner Ankunft in NY?
Ja, ich habe das Genre als Zwanzigjähriger über meinen ersten Freund kennengelernt. Der hat mich damals zu den ganzen Musical-Theatern geschleppt, zum Beispiel zu Miss Saigon nach Stuttgart. Mein Traum war es immer, selbst mal Musical zu spielen. Ich hab‘ in Deutschland sogar eine Gesangsausbildung gemacht und war 1997 Mitglied der total unerfolgreichen Boyband F.A.M. Seither habe ich in diversen kleinen Musical-Produktionen mitgemacht. Aber mich zog’s dann doch zum Schauspiel. Jetzt will ich diese beiden Stränge meines Lebens wieder zusammenführen.
In ihrem akademischen Buch Hard Core schreibt Professor Linda Williams, die Mutter der Porn Studies: „Tatsächlich ist der Pornofilm bis zu einem gewissen Grad eine Art Musical, bei dem die Sex-Nummer an den Platz der Musiknummer tritt.“ Hat dich das inspiriert?
Das hört sich gut an. (lacht) Aber ich habe mich eher von A Chorus Line inspirieren lassen. Es geht bei mir nicht wirklich um Sex-Nummern. Sondern um die ganzen Menschen vor, hinter und neben der Kamera. Wie bei Chorus Line geht’s um den Audition-Effekt und das Back-Stage-Gefühl: den jungen Twink, bei dem man sich Sorgen machen muss, ob er die vielen Drogen am Set überlebt, um die ganz „normalen“ Pornodarsteller und ihre Probleme mit Körperform, Alter und Fans, das Escort-Geschäft, die teils unangenehmen Regisseure usw. Alle Charaktere in meinem Stück basieren auf Menschen, die ich kennengelernt habe. Es geht um deren Träume und Hoffnungen. Wenn man einen Pornofilm anschaut, sieht man ja nur eine Fantasie. Man weiß nichts über die Personen, die sich hinter der Sexfassade verbergen.
Es gibt viele Idioten in der Branche, das ist wahr, aber es gibt auch viele ganz normale Menschen.
Wie man neu in dieses Business kommt und das alles mit naiven Augen zum ersten Mal sieht, das ist die Geschichte meines Musicals.
Wie weit bist du mit deinem Skript?
Mir wurde gesagt, dass es im Durchschnitt zehn Jahre dauert, bis ein Musical fertig ist und auf die Bühne kommen kann. Ich bin noch am Schreiben und relativ am Anfang. Ich muss noch Workshops abhalten, um zu sehen, wie das Ganze tatsächlich auf einer Bühne mit Darstellern funktioniert. Im Schwulen Museum* werden wir am 22. Februar 2015 eine Lesung von ausgewählten Szenen veranstalten. Da kann ich dann schon mal die ersten Publikumsreaktionen testen.
Soll Porn – The Musical mal ganz groß am Broadway rauskommen?
Da es sich mit Pornografie und Schwulsein beschäftigt, wird es sicher keine Big-Budget-Broadwayproduktion werden, sondern eher ein Off-Broadway-Veranstaltung wie Naked Boys Singing. Diese witzige Revue mit nackten Jungs lief jahrelang in New York, ist auf DVD rausgekommen und hat viele Menschen sehr reich gemacht. Hedwig and the Angry Inch wiederum hat am Off-Broadway angefangen und ist inzwischen mit Neil Patrick Harris regulär am Broadway angekommen. Wo Porn – The Musical rauskommen wird, und wie es dann aufgezogen wird, hängt hauptsächlich von der Musik ab. Und die wird derzeit noch entwickelt. Da suche ich noch nach dem richtigen Sound.
Naked Boys Singing war vor allem bei Hetero-Frauen ein Erfolg, obwohl die Geschichten, um die es im Stück geht, eindeutig schwul sind. Wer ist dein Zielpublikum für Porn – The Musical?
Ich will natürlich so viele Menschen wie möglich ansprechen, nicht nur Schwule. Das Theaterstück Take Me Out – wo es um einen Baseball-Spieler geht, der sich outet – war ein riesiger Broadwayerfolg, obwohl keine einzige Frau darin vorkommt. Aber es ging um ein All-American-Sujet. Bei mir geht es um Pornos, noch so ein All-American-Sujet, auch wenn die puritanischen Amerikaner da ungern drüber sprechen. Zumindest nicht öffentlich. Und schon gar nicht, wenn es um schwule Pornos und Pornodarsteller geht. Das wird also schwierig, mit Porn ein Massenpublikum anzusprechen, das die Wahl hat zwischen einer familienfreundlichen Disney-Produktion und meinem Stück.
Sind Sex und männliche Nacktheit auf der kommerziellen Bühne, in den USA, ein Problem?
Ich versuche die Nacktheit auf ein Minimum zu reduzieren. Klar will ich gut aussehende Darsteller haben. Aber wenn sie sich ausziehen, soll das nicht unbedingt erotisch wirken, sondern ihre Verletzbarkeit zeigen. Denn durch ihre Nacktheit entblößen sie sich, komplett.
Man vergisst oft, dass Pornodarsteller nicht aus Stahl sind, schon gar nicht, wenn sie in Online-Foren Kommentare an den Kopf geschleudert bekommen, dass sie zu dick oder zu dünn sind, zu alt werden oder nicht muskulös genug seien. Das bleibt an einem hängen, und das ist in vielen Fällen sehr verstörend.
Was man unlängst auch gemerkt hat an der Reihe von Selbstmorden in der schwulen Pornobranche. In Porn – The Musical ist die Idee, dass jedes Mal, wenn eine Sexszene kommt, das Publikum mit hellem Scheinwerferlicht geblendet wird. So dass man nur einen Flash sieht. Und sich die Sache selbst vorstellen muss.
Mit was für Musik kann man denn solche Flash-Szenen illustrieren, wie klingt „Sex“?
Der Sex kommt ja gar nicht vor. Deshalb gibt’s da auch keine spezielle Musik. (lacht) Die Songs, die ich geschrieben habe, befassen sich mit anderen Themen. Es geht beispielsweise um „Injections“, also Spritzen, um den Selbstmord eines älteren Darstellers, um schmierige Produzenten, die Models versuchen zu verführen usw.
Also gar kein Sex?
Ich habe schon mal überlegt, ob es auch eine „adult version“ des Musicals geben sollte, wo man wirkliche Pornodarsteller einsetzt, die tatsächlich Sex haben. Aber erst mal geht es mir um etwas anderes: die Gefühle, die Träume, die Hoffnungen und die Ängste der Menschen, die man kennenlernt. Das finde ich auch spannender, als Sex zu zeigen. Den kann sich doch eh jeder im Internet anschauen, wenn er das will.
In den 1970er Jahren gab es schon den ziemlich schrillen Film The First Nudie Musical, wo es darum geht, wie ein (heterosexueller) Pornofilm im Musical-Format gedreht werden soll, inklusive „Tanzende Dildos“. Kennst du den?
Nein, aber das klingt interessant. Mir wurde schon vorgeschlagen, Porn – The Musical „campy“ zu machen, so wie Show Girls. Da würden tanzende Dildos super passen. Ich muss mal gucken, wie das mit der Vermarktung später laufen wird. Eine Komödie verkauft sich definitiv besser als etwas Ernstes. Mir geht es schon um den Spaß, also warum dann nicht auch ein paar tanzende Dildos einbauen?
Hast du schon vorher Erfahrung sammeln können als Autor?
Ich habe einen Einakter über HIV geschrieben, Positive Negativity, der 2014 bei einem Theaterfestival in New York aufgeführt wurde. Mit dem Regisseur von damals, Alan Souza, will ich auch gern Porn machen.
Was für Reaktionen hast du bislang aus der Theaterwelt auf dein Projekt bekommen?
An Amerika liebe ich, dass Menschen gute und ungewöhnliche Ideen zu schätzen wissen. Da öffnen sich die Türen, wenn man begeistert und hart an seiner Idee arbeitet, selbst wenn man ein No-Name-Autor ist. Amerika ist offen für neue Talente und gibt jedem die Chance, seine Träume zu verwirklichen. In Deutschland ist das ganz anders. Hier wird erst mal gefragt, ob man das denn studiert habe, ob man eine Ausbildung zum Musical-Autoren habe, ob man sich in der Theaterwelt überhaupt professionell auskenne usw. Da ist eigentlich nur Ablehnung zu spüren; zumindest war das meine Erfahrung. Deutschen fehlt da die Vorstellungskraft und die Risikobereitschaft, mal was auszuprobieren, was es noch nicht gab.
In Amerika bin ich gut vernetzt, da hat mir meine Pornokarriere sehr geholfen.
Ich kenne viele Broadwayleute und Produzenten, die das Stück gelesen und positiv reagiert haben. Deshalb werde ich das Stück auch in den USA weiterentwickeln, nicht in Deutschland.
Du schreibst das Musical unter deinem richtigen Namen. Wie werden deine Eltern darauf reagieren, wenn sie irgendwann zur Premiere kommen und in Taylor Trent ihren Sohn Florian erkennen werden?
Meinen Eltern habe ich vor kurzem erzählt, was ich mache. Die waren erst einmal still nach meinem Monolog. Dann hat mein Vater gesagt: „Weißt du noch, als du dich damals als schwul geoutet hast? Wir haben dir da schon gesagt, du bist unser Sohn, den wir lieb haben, und nichts wird sich daran ändern.“ Meine Mutter fügte hinzu: „Dein Bruder ist Versicherungsmakler. Was der aber so genau macht in diesem Beruf, wissen wir nicht. So können wir das auch bei dir belassen.” Und dann ging’s weiter wie gehabt. Es hat sich nichts mit meinen Eltern seitdem verändert. Im Allgemeinen ist für sie die Tatsache, dass ich ein Musical schreibe, so unfassbar, als wenn ich morgen zum Mond fliegen würde. Aber meine Eltern haben mich schon immer dabei unterstützt, meine Träume zu verwirklichen.
Hast du schon mal an eine Filmversion gedacht?
Da hatte ich schon eine Anfrage von einem schwulen TV-Sender in Amerika, der auch Rue Paul’s Drag Raceproduziert. Es gibt einen Produzenten, der Interesse daran hat, aus Porn eine Fernsehversion zu machen. Warten wir mal ab, wie sich das entwickelt. Ich glaube auf alle Fälle, dass ich die Finanzierung des Projekts zusammenbekommen werden. Da kann ich, glücklicherweise, auch mein Porno-Following nutzen für Fundraising.
Singende und tanzende Pornostars sind eher eine Ausnahme, oder?
Jessy Ares – bekannt als Arestirado – hat als deutscher singender Pornostar durchaus Karriere gemacht hat. Sogar die BILD-Zeitung hat ihn vorgestellt. Seine Musik kann man auf iTunes kaufen. Ares ist mit künstlicher Erektion – via Spritze – in Discos aufgetreten. Der hat mich zu einer meiner singenden Rollen im Stück inspiriert. Ich habe schon mit ihm gesprochen, ob ich Lieder von ihm verwenden darf für eine Szene in einem fiktiven Porno-Club.
Trotz der reservierten Reaktionen im Vorfeld, glaubst du nicht das Porn – The Musical doch auch nach Deutschland gehört, schließlich gucken ja hier auch genug Menschen Pornos und wissen viele, wer du bist?
Das Stück würde sicher gut nach Berlin passen, weil hier abgefuckte Veranstaltungsorte existieren, wo man die Darsteller ins Publikum schicken könnte, damit es interaktiv wird. Und damit meine ich jetzt nicht speziell die Komische Oper, falls wir das Ganze als Operettenfassung ausarbeiten sollten. (lacht) Leider ist Deutschland ansonsten in Bezug auf Musicals eher ein ‚Mitläuferland‘, die gucken erst mal, was in Amerika funktioniert und übernehmen dann das, was Erfolg hat, statt selbst etwas zu kreieren. Hoffen wir also mal, dass Porn – The Musical in den USA ein Hit wird, dann hat es auch in Deutschland eine reelle Chance.