Reizvolle Ausgrabung: Benatzkys “Zur gold’nen Liebe” auf der Bühne Burgäschi

Albert Gier
Operetta Research Center
5. Juli 2021

Die in der Schweiz glücklicherweise immer noch zahlreichen Amateur-Theatertrupen leisten gerade bei der Operettenpflege Beachtliches. Die „Bühne Burgäschi“ hatte zuletzt Grüezi bzw. Himmelblaue Träume von Robert Stolz aufgeführt – sicher nicht sein stärkstes Stück, dafür aber mit klarem Schweiz-Bezug. Mit elf Aufführungen im Juni 2021 folgte jetzt Zur gold’nen Liebe, eine „Kammeroperette“ von Ralph Benatzky, uraufgeführt im Oktober 1931 in Berlin (ein Jahr vor dem ungleich erfolgreicheren Bezaubernden Fräulein).

Szene aus "ZUr gold'nen Liebe" 2021. (Foto: Bühne Burgäschi)

Szene aus “Zur gold’nen Liebe” 2021. (Foto: Marius Haffner/Bühne Burgäschi)

„Kammeroperette“ bedeutet, daß es keinen Chor gibt, daß die Orchesterbesetzung gegenüber den großformatigen Stücken z.B. von Lehár reduziert wird. Der Theaterzettel aus Burgäschi weist elf Solistenrollen aus (darunter zwei Doppelrollen), gegenüber dem Buch von 1931 sind einige kleinere Nebenrollen weggefallen. Das Stück spielt im Hamburger Cabaret Zur gold’nen Liebe, statt der acht „Bildschönen“ (den Animierdamen), gibt es hier nur eine, die anderen ersetzen die Solistinnen und Statistinnen.

Das verhältnismäßig kleine Tanzorchester ist (und war schon bei der Uraufführung) interessant besetzt: drei Violinen, Kontrabaß, drei Klarinetten / Saxophone, zwei Trompeten, Sousaphon, Klavier, Banjo, Akkordeon, Perkussion. Es ist erstaunlich, was die Musiker, unter schwierigsten Bedingungen, leisten (da die Subventionen spärlich fließen und die Mittel knapp sind, gab es nur vier Orchesterproben). Die Musik bewegt sich zwischen traditionellen Operettenklängen, Jazz (wie man ihn um 1930 in Deutschland verstand) und den neuesten Modetänzen (Tango, Foxtrott, Rumba), das Ensemble begleitet die Solisten aufmerksam und verbreitet vor allem gute Laune.

Solo mit Lobster: eine weitere Szene aus "Zur gold'nen LIebe" 2021. (Foto: Bühne Burgäschi)

Solo mit Lobster: eine weitere Szene aus “Zur gold’nen LIebe” 2021. (Foto: Marius Haffner/Bühne Burgäschi)

Mit ca. 80 Seiten Text ist das Originalbuch ungewöhnlich umfangreich. Natürlich mußte gekürzt werden; es wurde eine Neufassung erstellt, die eine Menge vom Originaltext wörtlich, oder leicht modernisiert, übernimmt. (Rubin, „Agent“ der Hauptdarstellerin Lisa, sprach 1931 Hamburger Platt, hier ist es ein deutsch-englisches Kauderwelsch – Emanuel Gfeller macht das sehr gekonnt.)

Aus dem Kommerzienrat Schramm, dem Vater der in Komponist Peter verliebten Lisbeth, ist ihre Mutter geworden. Wenn Lisa Peters Walzer „Gold’ne Liebe“ zurückbringt, den er vergessen hat (aus Eifersucht hatte sie vorher Manschetten, auf die Peter, wie weiland Johann Strauss, seine Melodien zu schreiben pflegt, ausgewaschen), kam 1931 eine goldene Geige aus dem Himmel herunter; in Oekingen war sie weiß, außerdem tanzte zum Walzer ein blonder Engel im kurzen weißen Kleid einen Solotanz. Die Texte der Gesangsnummern blieben im allgemeinen unverändert.

Die Bühne Burgäschi ist eine Art (sehr erfolgreiches) Famlinenunternehmen: Intendant Hermann Gehrig übernimmt selbst eine kleine Rolle, seine Tochter Melanie Gehrig Walter hat inszeniert, Bühnenbild und Kostüme entworfen (und spielt ebenfalls mit). Das Bühnenbild, eine luftige, stilisierte Rahmen- und Säulen-Konstruktion aus Sperrholz, kann ebensogut das Cabaret Zur gold’nen Liebe wie das Operettentheater im zweiten Bild oder den Salon im Hause Schramm (am Kurfürstendamm) vorstellen.

Die Kostüme sind recht bunt, offenherzig für die Animierdamen, ein bißchen bemüht jugendlich und sportlich für Dichter und Komponist, elegant-mondän für die Frau Kommerzienrat, ihre Tochter und und ihre Gäste. Erwartungsgemäß wird viel getanzt; für die Choreographie war Letizia Jakob verantwortlich (was der Programmzettel verschwieg), die auch die eine „Bildschöne“ spielte. Reimar Walthert, der Ehemann der Regisseurin, führt als Dirigent souverän und präsent durch die Partitur. (Ein Interview mit Melanie Gehrig Walthert und Reimar Walthert zu ihrer Arbeit findet sich hier.)

Blick auf die Bühne mit den Bühnenbildnern zu "Zur gold'nen Liebe" 2021. (Foto: Bühne Burgäschi)

Blick auf die Bühne mit den Bühnenbildnern zu “Zur gold’nen Liebe” 2021. (Foto: Marius Haffner/Bühne Burgäschi)

Der Plot verbindet eine Backstage Handlung mit sich überkreuzenden Liebesbeziehungen: Komponist Peter (Fabio de Giacomini) und Librettist Hannes (Peter Martin Bader) suchen händeringend nach einer Primadonna für ihre neue Operette, die in drei Wochen Première haben soll (sie handelt von der Liebe des „Walzerkönigs“ Pepi zu einem Wäschermädel). Sie finden sie im Kabarett der „Mutter Mews“ (Susanne Mathys): Chansonette Lisa (Fabienne Skarpetowski, mit kraftvollem warmen Sopran, ist natürgemäß der Star des Abends) erwischt ihren Liebhaber Sebastian Kiesewetter (herrlich ölig und affektiert: Roger Bucher) mit der Diseuse Mutzi-Putzi (Patricia Zanella legt sie als Karikatur an, sie spielt auch die Edith, da agiert sie viel natürlicher) und fährt ihre Krallen aus, genau wie das Wäschermädel in der Operette. Mit fabulöser Biographie (sie wäre die Tochter eines ungarischen Generals) feiert sie tatsächlich einen großen Erfolg, wird aber bei der Premierenfeier auf Betreiben der eifersüchtigen Edith von Kiesewetter bloßgestellt und kehrt ihm in die Gold’ne Liebe zurück.

Edith hat ihre Mutter überredet, die Operette zu finanzieren; wenn aber Lisa auf der Bildfläche erscheint, hat Peter nur noch Augen für sie. Dadurch macht er den Weg frei für Hannes, der Edith anschmachtet; zuletzt verloben sich die beiden.Kiesewetter würde Lisa sehr gern zuürckgewinnen, sie kommt aber mit Peter zusammen. Kiesewetter wiederholt als Fazit, was er schon in seinem Entree behauptet hatte: „Die Liebe ist ein aufgelegter Schwindel, / der größte aller Schwindel überhaupt!“ (1923 hatte die Titelfigur in den Perlen der Cleopatra von Oscar Straus gesungen: „Die Liebe ist doch nur ein süßer Schwindel, auf den man immer wieder fällt herein!“)

Es gibt sehr viele sehr komische und auch musikalisch attraktive Momente: Das Marschlied Nr. 4: „Ja bei Mutter in der Liebe“ (im Buch von 1931 hieß es: „Ja, in Hamburg auf Sankt Pauli“, was heute natürlich nach Freddy Quinn klingt) ist rhythmisch prägnant und hier mitreißend choreographiert. – Der Walzer „Gold’ne Liebe“ (Duett Nr. 6, Lisa und Peter). ist karikierend konventionell. Hier fordert der Theaterdirektor als „Aktschluß“ den Walzer vom ganzen Ensemble gesungen, aber im Marschrhythmus! – Wenn Peter versucht, den verlorenen Walzer wiederzufinden, fallen ihm nur Melodiefetzen aus Operetten und Wiederliedern ein, von „Da draußen im duftenden Garten“ bis zu „In einem verschwiegenen Gäßchen“ (Im Armen Jonathan von Millöcker gab es schon einmal eine ähnliche Szene).

Zur gold’nen Liebe ist ein sehr amüsantes und witziges, dabei intelligent gemachtes Stück, das auf unterschiedliche Formmodelle und Gattungstraditionen der Operette Bezug nimmt und mit Zitaten und Anspieluungen ein komplexes intertextuelles Spiel treibt. Die Bühne Burgäschi hat es kongenial umgesetzt und den Zuschauern viel Vergnügen bereitet. Es wäre zu wünschen daß auch einmal ein größeres Haus das Werk in sein Repertoire aufnähme.

Weitere Informationen finden sich hier.

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