Desirée Nick: “Ich bin die größte Diva von allen!”

Kevin Clarke
MÄNNER Magazin (02/2015)
26 August, 2015

Die singende Entertainerin und TV-Phänomen Desirée Nick ist derzeit in der Sat1-Show Promi Big Brother zu bestaunen (und so ziemlich der einzige Grund warum es sich lohnt diese Sendung zu gucken). Im Dezember wird sie in Kálmáns Die Zirkusprinzessin als Moderatorin an der Komischen Oper durch die konzertante Aufführung führen. Anfang 2015 hat sie bereits in einer Hauptrolle in der ersten „LGBTI“ Inszenierung von Im weißen Rössl am Theater Bremen mitgewirkt. Grund genug, dieses spannende Interview nochmals hervorzuholen, das The Divine Miss Nick damals dem Magazin MÄNNER gegeben hat. Ein Gespräch über Volksmusik, Jungschwule, metrosexuelle Türken und schrille Operetten-Heroinen

Desiree Nick as Josepha Voglhuber in "Im weißen Rössl." (Photo: Pio Rahner/Theater Bremen)

Desiree Nick as Josepha Voglhuber in “Im weißen Rössl.” (Photo: Pio Rahner/Theater Bremen)

Sie kehren in Bremen am Theater am Goetheplatz zur Operette zurück, nachdem Sie bereits in Dresden an der Staatsoperette damit in Berührung kamen. Was reizt Sie, das Weiße Rössl zu spielen?

Es reizen mich viele Rollen. Ich kann sie mir aber nicht aussuchen. Mein Weg ist nicht gezeichnet von dem, was ich gerne machen möchte, sondern von dem, was mir angeboten wird. Es ist toll, dass jemand in Bremen den genialen Einfall hatte, mich als Rössl-Wirtin Josepha Voglhuber zu besetzen. Natürlich könnte ich noch vieles mehr machen, aber man muss dazu erst mal die Möglichkeit erhalten. Bremen hat mir jetzt eine solche Möglichkeit gegeben. Immerhin ist das ein sehr bedeutendes Haus, das immer wieder Theatergeschichte geschrieben hat.

Was wären denn Ihre anderen Wunschrollen?

Mein Lebenstraum ist nach wie vor Hello Dolly. Ich habe das Stück in New York gesehen, mit der damals 72-jährigen Carol Channing. Die muss man sich optisch so vorstellen, wie heute Ingrid van Bergen. Man denkt: ‚Darf die Frau überhaupt noch auf eine Bühne? Überlebt sie die Vorstellung?‘ (lacht) Natürlich verlangt Hello Dolly eine Gesangsstimme. Ich wollte nie Opernsängerin oder Musical-Darstellerin werden, der Weg ging bei mir vom Tanzen zum Schauspiel. Die Musik kam dabei von selbst auf mich zu und hat mich immer wieder abgeholt. Inzwischen singe ich seit 25 Jahren. Da hat sich bei mir natürlich viel entwickelt, allen voran durch die ernsthafte Arbeit am Stück Souvenir, wo ich die berühmte Florence Foster Jenkins darstellen durfte. Da habe ich einen großen Sprung gemacht, vokal gesprochen, auch durch die vielen absolvierten Vorstellungen. Ich merke das jetzt bei den Proben in Bremen: Ich habe inzwischen stimmliche Kapazitäten entwickelt, die ich früher nicht hatte.

Nun ist es so, dass die Welt voll ist mit tollen Sängern. Es gibt heute mehr gute Musical-Absolventen denn je, mehr tolle singende Schauspieler denn je. Da ist viel herangewachsen. Und trotzdem gibt es nur ganz wenige, die Rollen toll verkörpern können, trotzdem sitzt man oft im Theater und sagt: „Schön gesungen, aber der Abend hat mich nicht berührt!“

Es gehören noch so viele Elemente dazu, die nicht berechenbar und nicht kalkulierbar sind. Genauso wie ich der Florence Foster Jenkins Leben eingehaucht habe, obwohl ich für die Rolle 40 Jahre zu jung war. FFJ war eine alte Frau, ein Lotti-Huber-Typ, eine 1,55 Meter dicke Dame ohne Hals. Ich bin, rein körperlich, eher der großgewachsene Marlene-Typ. Aber es hat trotzdem geklappt und ich war als FFJ glaubhaft. Deshalb weiß ich, dass ich auch die skurrile Heiratsvermittlerin Dolly Levi spielen kann, denn das ist eine mir aus der Seele sprechende und auf den Leib geschriebene Rolle, mit einem besonderen Witz.

Desirée Nick with chorus in "Im weißen Rössl" in Bremen. (Photo: Jörg Landsberg/Theater Bremen)

Desirée Nick with chorus in “Im weißen Rössl” in Bremen. (Photo: Jörg Landsberg/Theater Bremen)

Ist die Rössl-Wirtin für Sie auch eine auf den Leib geschriebene Partie?

Definitiv! Die Rolle der Josepha kehrt in mir Dinge nach außen, die schon immer da waren, die aber noch keiner gesehen hat. Ich wusste beispielsweise nicht, was für eine traumhafte Österreicherin ich bin. Man kann dankbar sein, dass ich nicht im Salzkammergut geboren wurde – im Dirndl. Ich wäre ja die schlimmste von allen! Denn unter diesem österreichischen Dialekt, diesem charmanten sprachlichen Zuckerguss, liegt immer Bosheit.

Liegen Ihnen das besonders?

(lacht) Es ist die Mischung! Es geht im Rössl darum, die Botschaft – die oft bitter ist – mit viel Süße zu überziehen. Natürlich liegt mir das. Es ist eigentlich eine Unterlassungssünde von allen, die mir diese Rolle nicht schon vorher angeboten haben.

Merkt man dem Rössl an, dass es von schwulen Männern wie Erik Charell und Hans Müller geschrieben wurde?

Erik Charell on board a ship to America in the late 1920s.

Erik Charell on board a ship to America in the late 1920s.

Im Stück steckt ein Humor und eine Überhöhung, ein Witz, der aus bourgeoiser Sattheit – ich übersetze: heterosexuelle Begrenztheit – nicht entstehen kann. Diese bourgeoise Sattheit verhindert, dass Leute über gewisse Grenzen hinaustreten. Die Sattheit ist immer von einer Angst geprägt, aus dem Rahmen zu fallen, aufzufallen, nicht dem Schema zu entsprechen, als schrill zu gelten. Sie können doch nicht zu einem bourgeoisen Beamten sagen: „Sei mal schrill!“ Schrillheit gilt im Bürgertum als Vergehen. Und diese ganzen Operetten sind schrill. Da wimmelt es nur so von schrillen Typen mit schrillen Schicksälern. Als Sahnehäubchen sehen sie auch noch extrem aus und sondern extreme Töne ab. Sich etwas auszudenken, wie das Weiße Rössl, können vermutlich nur Schwule.

Gleichzeitig waren Charell und Müller auch große Künstler und Könner. Deshalb möchte ich hier etwas einschränken: Schwulsein alleine reicht nicht.

Ich finde es schrecklich, wenn Schwule denken, allein ihr Schwulsein sei eine Legitimation, auch mit Nicht-Talent überall teilhaben zu können. Wenn dazu nicht noch Geist und Seele kommen, Handwerk und Talent, und – das sage ich durchaus boshaft, weil das für viele Schwule eine große Hürde ist – Fleiß und Disziplin, dann entsteht keine Kunst. Ich kenne viele Schwule, die schaffen die Sache mit Disziplin und ernsthafter Arbeit nicht. Weil sie immer nur Halligalli wollen. Daraus entstehen aber keine genialen Werke. Es gehört sehr viel Handwerk dazu, da braucht man Sitzfleisch, viele einsame Stunden, um Bücher, Theaterstücke oder Operetten zu schreiben. Da hapert‘s bei etlichen Schwulen. Die wollen lieber das Leben genießen und unter Leuten sein. Dagegen ist auch nichts einzuwenden. Es ist ja nicht jeder Mensch ein Künstler, egal ob homo oder hetero.

In Bremen ist mit Sebastian Kreyer ein offen schwuler Regisseur am Werk, der eine bewusst schwule Inszenierung schaffen möchte. Wird es eine Halligalli-Produktion?

Nein, Sebastian Kreyer ist ein sehr ernsthafter Regisseur. Er macht als nächstes Die Physiker, ich selbst habe ihn kennengelernt als Regisseur der Glasmenagerie in Köln. Kreyer ähnelt Leuten wie Helmut Baumann, Barrie Kosky oder Adam Benzwi: Sie alle haben die Hürde genommen und das Lustprinzip der Homosexuellen ihrer Arbeit untergeordnet. Das ist dringend erforderlich, wenn man Großes erschaffen will.

Desirée Nick as Josphea meets the Emperor (Matthieu Svetchine) who is dressed as Empress Sissi. (Photo: Jörg Landsberg/Theater Bremen)

Desirée Nick as Josphea meets the Emperor (Matthieu Svetchine) who is dressed as Empress Sissi. (Photo: Jörg Landsberg/Theater Bremen)

Es wird nicht nur eine schwule, sondern auch eine Gender verdrehende Produktion. Ist das provozierend?

Nachdem Katharina Thalbach Friedrich den Großen und den Hauptmann von Köpenick gespielt hat, brauchen wir uns doch über genderspezifische Grenzen nicht mehr unterhalten. Solche Gender verkehrten Besetzungen sind ein Stilmittel, das oftmals ganz andere Aspekte des Stücks betont. Das Weiße Rössl war immer geplant als holzschnittartige Persiflage. Die Charaktere sind ironisch gebrochene Prototypen. Das Stück ist kein Psycho-Thriller oder ein Werk, das sich in feinen Verstrickungen des unbewussten Seelenlebens ergeht. Es ist eine Revue. Das Wort „Oberflächlichkeit“, das man damit sofort assoziiert, hat in Deutschland gleich einen negativen Beigeschmack. In Amerika im Musical dagegen überhaupt nicht. Dort ist mit Oberflächlichkeit gemeint, dass die Charaktere erstrahlen sollen, dass sie relativ eindimensional sind, aber dadurch wunderbare Träger von Geschichten und Pointen. Das Rössl ist Unterhaltungstheater, aber mit einem ernsten, teils sogar tragischen Hintergrund: Josepha sucht Liebe, aber ihre Lebensumstände als Hotelwirtin verhindern das. Sie verkauft Halligalli und Lachen, sie handelt damit. Das ist ihr Kostüm. Weil sie den Touristen die heile Welt der Berge vorspielt, so wie in The Sound of Music. Sie verkauft die Landschaft, den Frohsinn, Freundschaft. Ich finde es besonders unterhaltsam, wenn so wie hier das Halligalli in rustikalen, quasi bajuwarischen Regionen stattfindet.

Warum?

Die Eitelkeit der Männer in der Alpenregion hat was für sich. Ins Berghain gehen Jungs in Jeans, T-Shirt und Sneakers, die Männer in den Alpen brauchen dagegen Stunden, bis sie fertig gestylt sind mit Lederhosen, Wadenwärmern, Gamsbart usw. In der Alpenwelt halten Männer viel auf ihre Außendarstellung. Ihnen ist es wichtig, so aufzutreten, wie es von ihnen erwartet wird. Auch Josepha Voglhuber inszeniert sich. Sie ist sowas wie eine Superwirtin beim Oktoberfest, ein Magnet. Deshalb bleibt sie alleine, weil sie umgeben ist von Menschen, die kommen und gehen. Der einzige der bleibt, ist ihr Oberkellner Leopold.

In der Bremer Inszenierung ist Leopold als Hetero verliebt in Josepha, sie wiederum verliebt sich in Dr. Siedler, der bei Sebastian Kreyer schwul ist. Kennen Sie die Situation?

Wenn man wie ich an der Deutschen Oper Berlin aufwächst und umgeben ist von Balletttänzern, von denen 80 Prozent schwul sind, dann passiert es jeder jungen Elevin, dass sie sich in einen Schwulen verliebt. Da steht man an der Stange mit Knaben zwischen 14 und 21. Da vermutet man ja noch, dass man den ein oder anderen „retten“ könne. Die klassische Geschichte: Vielleicht ist er ja doch nicht schwul, vielleicht ist es nur eine Phase, vielleicht ist er ja … bisexuell. Da muss nur die richtige Frau kommen. (lacht) Das alles habe nicht nur ich hinter mir, das habe ich bei sehr vielen Kolleginnen erlebt.

Heute können sich viele Jungschwule als „metrosexuell“ verstecken, da merken es die Familien und Freundinnen noch später.

Da sitzt der Sohn mit gezupften Augenbrauen und polierten Fingernägeln, mit Tattoos und Selbstbräuner am Frühstückstisch – aber das macht auch jeder Türke im SO36. Das ist heute in sportkörperbewussten Kreisen üblich. In jedem Fitness Center in Spandau greifen die Heterosexuellen nach solchen Hilfsmitteln. Auszumachen, ob jemand für immer der Frauenwelt verloren ist oder nicht, ist heute schwieriger geworden denn je.

Gehen Sie damit inzwischen anders?

Ich möchte mit diesen Dingen überhaupt nichts mehr zu tun haben. Ich möchte keine Beziehung mehr haben, auch nicht mit heterosexuellen Männern. Ich habe in den letzten Jahren viel Karriere gemacht, weil ich diese unendliche Energie, diesen unendlichen Zeitaufwand der Vorsorge, Nachsorge und allem, was sonst zu Affären gehört, spare und nur noch in den Beruf lenke. Auf die Schwulen bezogen: Ich würde nicht im Entferntesten darauf spekulieren, dass man einen Schwulen umkrempeln kann. Einmal schwul, immer schwul, oder?

Es muss ja offenbar so lecker sein, dass es die umgekehrte Geschichte nicht gibt. Heterosexuelle, die mal nippen und dann reumütig zurückkehren, gibt’s so gut wie nicht. Vielleicht 0,1 Prozent. Aber die Geschichte, einmal genippt am Schwulsein und verloren für immer, das ist die Geschichte von 99 Prozent.

Welcher Schwule kehrt denn von den Kerlen zu Frauen zurück? Das habe ich in meinem Leben noch nie erlebt. Wenn doch, dann nur äußerlich. Dann hat das wirtschaftliche Gründe, um eine Dynastie zu retten oder ein Erbe zu übernehmen oder vielleicht wegen der Steuer. Das würde ich nicht mitmachen wollen. Welche normale Frau möchte denn am Frühstückstisch die Toyboys sitzen haben, die in der Nacht zuvor den Gatten beglückt haben? So was ist doch entsetzlich. Ich möchte da nicht als Hausfrau dabei sein und die Kondome entsorgen müssen.

Sie sind jüngst mit Florian Silbereisen im TV aufgetreten und haben das Rössl gesungen – ohne Homoanspielungen. Ist das Thema dem Volksmusikpublikum nicht zumutbar?

Da täuscht man sich. Wenn ich mir die entzückende Gruppe Voxx Club anschaue, dann erinnern die mich an eine Neuauflage der Village People in deutscher Version: sympathische Prototypen, voll angekommen in unserer Zeit, die auch offen eine große homosexuelle Fangemeinde haben. Nachdem ja die Quotenschwulen im TV die breite Masse erobert haben, würde ich diesbezüglich auch bei Volksmusiksendungen keine Probleme sehen.

Voxxclub. (Photo: PR)

Voxxclub. (Photo: PR)

Wenn das Publikum damit kein Problem hat, wer dann: die Redakteure?

Vermutlich sind es eher die Sendeanstalten selbst. Da gibt es sowas wie den Fernsehrat. Ich rede jetzt von ganz oben, so was wie der Papst, nicht die Kardinäle und Bischöfe. Wobei der Papst hier kein Einzelmann ist, sondern ein Gremium. In dieser obersten Ebene regierten viele Abwehrmechanismen und Phobien. Bei den Redakteuren stelle ich dagegen große Kreativität fest, ein Suchen nach Neuem. In der Volksmusik sind ja bereits viele Konventionen und Klischees ausgemistet worden. Es gab mal eine Volksmusikwelt, wo man sich fragte, ob da nur Amateure unterwegs sind – es war so, als ob jeder mitmachen konnte. Das ist heute nicht mehr so. Heute teilen sich einige wenige Profis das Feld auf: Helene Fischer, Andrea Berg, Florian Silbereisen und ein paar Namen drum herum. Früher gab es 50 große Volksmusikstars, ohne jegliche Virtuosität. Heute ist niemand dabei, der nichts kann. Egal ob man die Leute mag oder nicht, man kann nicht sagen, dass eine Andrea Berg nichts kann. Vor 10.000 Leuten live abzurocken ist etwas, was ich nie können werde. Ich ziehe da den Hut vor ihr.

Würden Sie mit Herrn Silbereisen gern mal eine komplette Operette spielen?

Wir lieben uns sehr. Wir sind – auf künstlerische Weise – ineinander verschossen. Er ist ein rustikaler Junge aus dem Volk. Er ist nicht Hollywood mäßig hübsch, er hat dafür diese Skilehrerattraktivität. Die Ausstrahlung ist die des Naturburschen, der dich mitnimmt auf die Hütte, und du hast den Abend deines Lebens. Florian hat mit Anfang 20 eine Musical-Ausbildung gemacht, hat sich in jungen Jahren gerne mal die Haare gesträhnt, gerne mal fürs Fernsehen zum Selbstbräuner gegriffen und sich gerne noch die Zähne bleachen lassen. Das Resultat: das Bild eines homosexuellen Musical-Darstellers aus der Retorte. Das hat Florian dieses berüchtigte Homo-Image verpasst. Wenn er schwul wäre, hätte er sich allerdings schon längst geoutet. Ich habe beide kennengelernt, ihn und seine Lebenspartnerin Helene Fischer. Die beiden waren schon Jahre zusammen, bevor die Beziehung öffentlich wurde. Sie sind zusammen groß geworden. Sie haben ihre private Insel und Heimat gefunden innerhalb dieser Branche. Wenn er weniger Attraktiv gewesen wäre, hätte sich vermutlich niemand den Kopf darüber zerbrochen, ob er schwul sein könnte. Aber er hat einen gewissen Appeal, kombiniert mit den Showbusinessmitteln, zu denen er am Anfang seiner Karriere gegriffen hat, was dazu führte, dass man dachte: da steht eine Musiktunte!

Geschadet hat es ihm nicht.

Er hat dadurch keine Fans verloren. Aber vielleicht würde er welche verlieren, wenn es nicht nur Image wäre, sondern Wahrheit. Das hat man ja gesehen bei Patrick Lindner.

Lindner wird 2015 in Rüdersdorf bei Berlin den Kaiser Franz Joseph im Rössl spielen. Da schließen sich die Operettenkreise.

Ich habe ihn immer sehr gemocht. Und natürlich wäre es der Knaller, mit Florian Silbereisen das Rössl zu machen und Herrn Lindner einzubeziehen.

Eine neue Filmversion?

Das wäre toll. Auch wenn es gerade erst einen neuen Kinofilm gab. Ich stehe mit Florian in Kontakt, wenn er also Lust hat, Operette gemeinsam zu performen, dann bin ich dabei.

Sie spielen in Bremen nicht mit Volksmusikanten, sondern mit Schauspielern.

Für solche Leute wurde das Rössl von Ralph Benatzky ursprünglich geschrieben. Benatzky hat immer für singende Schauspieler komponiert, wie Marlene Dietrich, Claire Waldoff oder Max Hansen. Das waren keine Opernvirtuosen, auch keine Musical-Darsteller im modernen Sinn. Im Musical-Bereich findet man heute nicht den Akzent auf Schauspielkünsten. Selbst wenn Musical-Leute gut sind, geht die Gestaltungskraft nicht übers Niveau eines guten Soap-Darstellers hinaus. Wenn die Darsteller aber Schauspieler von hohen Gnaden sind, mit Staatstheaterqualität, dann sind ganz andere Möglichkeiten gegeben, da werden ganz andere Facetten herausgeschält. Daraus entsteht ein eigenes Universum. So ein Universum wie bei uns in Bremen hat es noch in keiner Rössl-Inszenierung gegeben, weil alles extrem unkonventionell wird. Das Rössl war ja vor der legendären Produktion der Geschwister Pfister 1994 lange weg von den Bühnen, weil es an den Operettenhäusern von Operndarstellern zu Tode geritten wurde. Es wurde in einer Weise gespielt, für die das Material nie tauglich war. Da gilt es, gegenzusteuern.

Sie werden Ende 2015 auch an der Komischen Oper in einer Operette auftreten. Ist das eine neue Karriereroute?

Auf jeden Fall. Ich bin in einem Alter, für das die schönsten Operettenpartien konzipiert wurden. Wenn solche Rollen von zu jungen Darstellern verkörpert werden, dann stimmt die ganze Lebensgeschichte nicht. Eine dreckige Puffmutter, wie in Hello Dolly, spricht vor einer ganz anderen Folie, mit einer ganz anderen Weisheit, wenn sie altersgerecht besetzt ist. Die hat ihr Klimakterium hinter sich, die hat eine ganz andere Stimme, die geht mit Kerlen anders um, die kann sich erlauben, viel ordinärer zu sein, weil sie abgeklärt ist. Sie hat schon die Antworten auf die Fragen, die die jüngeren Darsteller im Stück haben. Die Operettenliteratur ist voll von Rollen, die geschrieben wurden für die zweite Lebenshälfte.

Ich möchte unbedingt an der Komischen Oper Hello Dolly machen. So, jetzt ist es raus. Das ist mein Outing!

Barrie Kosky hat für seine Operettenproduktionen exzellente Darsteller. Er bringt Leute auf die Bühne, die andere sich nicht getraut haben zu engagieren. Nicht mal ein Helmut Baumann, damals am Theater des Westens. Der hat immer aufgepasst, dass er der große Star bleibt, neben Angelika Milster. Daneben existierten nur Insider-Namen, niemand, der in ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz ein Begriff ist. Das Publikum sucht jedoch die Personality. Ich bringe als Besetzung viel mehr mit, als im Libretto steht. Die Leute kennen meine Lebensgeschichte, die kennen mich aus anderen Zusammenhängen. Die wissen, wer da vorgibt, eine Figur zu sein. Das trägt man mit in eine Inszenierung.

Josepha Voglhuber oder Dolly Levi, das sind einsame Frauen, Frauen ohne Männer, Frauen, die in ihrem Privatleben gescheitert sind, Frauen, die einen Traum haben und sich nach Höherem sich sehnen. Florence Foster Jenkins ist auch so eine Rolle.

Das sind Figuren, die mir auf den Leib geschrieben sind. Deshalb stelle ich nächstes Jahr am Ernst-Deutsch-Theater auch Joan Crawford in der deutschen Erstaufführung von Joan & Bette dar. Das wird ein Erdrutsch! Ich sag‘ Ihnen eins: Es gibt keine bessere Diva als mich. Fragen Sie mich nicht warum. Ganz ehrlich, wenn ich sehe wir andere „Diven“ darstellen, auch an der Komischen Oper, habe ich permanent das Gefühl die machen mich nach. Dabei könnten sie doch gleich das Original haben!

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